Zurück an Siziliens Nordküste, bringt Micha unseren Gast mit dem Schlauchboot an Land, wo es mit dem Flieger wieder zurück nach Deutschland geht. Für uns geht es weiter westwärts, entlang der Sizilianischen Küste. In einigen Tagen wollen wir schon auf Sardinien sein, denn hier sind wir mit Freunden aus Mainz verabredet, die einige Tage bei uns mitsegeln wollen. In einigen Tagen ist ein passendes Wetterfenster für die Überfahrt von Sizilien nach Sardinen prognostiziert, das bedeutet wir müssen etwas Strecke machen. Wir nutzen also den leichten Rückenwind und segeln gute 65 Seemeilen unter Spinnaker entlang der abwechslungsreichen sizilianischen Nordküste über Cefalu nach Termini Imerese. Von hier aus sind es dann noch gute 230 Seemeilen direkte Strecke bis zum Zielort Santa Maria Navarrese auf Sardinien.
Am frühen Nachmittag des Folgetages geht der Anker auf und die SEVEN fährt vorerst unter Motor, mit Segelunterstützung an Palermo vorbei Richtung offene See. Am Abend können wir endlich den Motor ausschalten und unter voller Besegelung mit Raumwind direkten Kurs setzen, zwar nicht mit überragender Geschwindigkeit wie bei den bisherigen Überfahrten aber dennoch kontinuierlich. Eigentlich perfekte Bedingungen für den Spinnaker, unser buntes Leichtwindsegel. Falls der Wind in der Nacht doch zu sehr auffrischen sollte, wobei oftmals auch die Wellen entsprechende höher werden, ist uns der Spinnaker doch zu risikoreich. Zum Bergen des Segels, muss einer von uns aufs Vordeck gehen und das Segel per Hand bergen. Da wir nur eine zwei Personen Crew sind, vermeiden wir bei Nachtfahrten möglichst alle Tätigkeiten außerhalb der Plicht. So segeln wir gemütlich weiter und der Tag endet, wie man es sich als Segler vorstellt. Wind in den Segeln, dem Sonnenuntergang entgegen, der Mond ist fast voll und der klare Himmel verspricht eine sternenreiche Nacht. Genauso verlief dann auch die erste Nacht, bis in die frühen Morgenstunden. Pünktlich mit einsetzen der Morgendämmerung schlief der vorhergesagte Wind jedoch leider ein. Das Vorsegel flatterte mehr, als dass es noch ordentlich im Wind stand. Folglich wurde schon wieder der weltbeste Yanmar Diesel gestartet und schob uns auf direktem Kurs, weiter auf die offene See hinaus. Nach guten drei Stunden unter Motor setzte der Wind zum Glück wieder in segelbarer Stärke ein. Auf direktem Kurs kam der Wind genau platt von hinten und sollte im späteren Verlauf etwas südlicher einfallen. Wir setzten also auf Schmetterlingsbesegelung. Das Großsegel auf die eine Seite und das Vorsegel, mit dem Spinnakerbaum ausgebaumt, auf die andere Seite. Somit bieten wir dem Wind volle Angriffsfläche und durch die ausgebaumten Segel lässt sich der Kurs um ca. 25 Grad in jede Richtung korrigieren, ohne dass der Spibaum auf die andere Seite geholt werden muss. Obwohl um uns herum mal wieder nichts als Wasser zu sehen ist, herrscht in diesem Seegebiet auffallend viel Funkverkehr. Neben dem üblichen Funkverkehr zwischen Frachtschiffen und Meldungen von italienischen Küstenfunkstellen, hören wir plötzlich auch Meldungen die eindeutig von der afrikanischen Küste stammen. Mit unseren Positionen auf der Seekarte sind wir doch deutlich näher an Afrika als am europäischen Festland, abgesehen natürlich von den Inseln. Unter anderem empfangen wir Meldungen von Tunis Radio, einer Küstenfunkstelle in Tunesien. Neben eines offenbar sehr weit entfernten und nicht wirklich verständlichen Mayday Notruf haben wir eine gute Stunde lang zuhören können wie die Küstenfunkstelle der, aus den Medien bekannten Insel Lampedusa, versuchte mit dem in Not geratenen Boot Kontakt aufzunehmen. Nach einigen Funksprüchen stellte sich heraus, dass es sich um ein angebliches Fischerboot handelt, welches sehr viele Personen an Bord hat und medizinische Hilfe anfordert. Es stellte sich jedoch heraus, dass sich das Schiff noch nicht im europäischen Hoheitsgebiet, sondern noch im Lybischen Seeraum befindet, sodass die Lybian Cost Guard angefunkt wurde, dem Notruf nachzugehen. Wie die Sache letztendlich ausging, wissen wir nicht. Wir denken uns jedoch unseren Teil und stellen wieder einmal fest wie viel eigentlich hier im südlichen Mittelmeer los ist. Bereits bei der Überquerung des Ionischen Meers, von Griechenland nach Italien, haben wir mithören können, dass man Ausschau nach einem umhertreibenden Boot halten soll. Auch ein Rettungsflugzeug war dabei im Einsatz und zog einige Seemeilen von uns seine Kreise… Das sind Safety bzw. Notmeldungen, die im südlichen Mittelmeer wohl leider häufiger vorkommen, hier im Tyrrhenischen Meer ist es offenbar nicht anders. Je weiter wir nach Westen segeln, desto mehr empfangen wir wieder die üblichen Wetter- und Navigationshinweise, nun aus Sardinien und Korsika.
Erfreulich und immer wieder faszinierend finden wir unsere treuen Begleiter, die Delphine. Eine Gruppe bestehend aus mehreren Tieren besuchen uns auch bei dieser Überfahrt immer wieder. Sie schwimmen um unser Boot herum, spielen vor dem Bug miteinander und springen über und durch die Wellen. Wir dürfen sie sogar auf der Jagd nach fliegenden Fischen beobachten. Ein schönes Naturschauspiel inmitten auf offener See.
Die Abenddämmerung der zweiten Nacht setzt ein und Micha übernimmt heute die erste Wache. Leider mal wieder mit Motorunterstützung, da zum Abend hin der Wind etwas nachgelassen hat. Mit angenehmer Drehzahl und leichtem Druck im Vorsegel fahren wir in die zweite Nacht. Noch gute 90 Seemeilen, bis zum Zielort Santa Maria Navarrese. Mit Einbruch der Dunkelheit nimmt der Wind wieder zu und der Motor wird wieder ausgemacht. Konstanter Rückenwind drück in die Segel und wir kommen dem geplanten Ziel näher.
In den frühen Morgenstunden war es das dann. Wind weg, dafür bleibt die Welle... Zudem ist es in dieser Nacht bewölkt und diesig, so dass wir nichts sehen. Nur Schwärze, keine Sterne, kein Mond, nicht einmal den Übergang von Wasser zum Horizont können wir erkennen. Äußerst unangenehm, aber da müssen wir wohl durch, noch die letzten 40 Seemeilen bis zum Ziel.