SEGELN, REISEN, LEBEN
Auf Weltreise mit unserem Segelboot

August 2024 – Ein heftiger Empfang auf Mallorca

Die Fahrt von Menorca nach Mallorca ist ein entspannter Tagestrip unter besten Bedingungen: glatte See, recht gleichmäßiger Wind und unser bunter Spinnaker im Einsatz. Die erste Nacht auf Mallorca verbringen wir im Nordosten, in der Bucht von Polenca.
Der Ankerplatz in der riesigen Bucht ist vermeidlich ruhig und gut vor Wind und Welle geschützt. Was wir jedoch nicht bedacht haben, ist das hier am Wochenende ein ständiges Kommen und Gehen von kleinen und großen Motoryachten sowie Ausflugsbooten herrscht, die bis spät am Abend den Hafen ansteuern und regelrechte Kreuzwellen verursachen. Für uns steht daher fest, nichts wie weg hier!
Der Wind führt uns weiter entlang der Ostküste mit Steilklippen und schönen Buchten mit türkisfarbenem Wasser. Das Ankern macht hier jedoch nur tagsüber Spaß, denn rund um Mallorca dominieren meist thermische Winde, die am Abend einschlafen oder drehen. Die vom offenen Mittelmeer kommende Welle bzw. der Schwell bleibt jedoch konstant und sorgt dafür, dass unser Boot von Anker ordentlich hin und her rollt. Anfangs haben wir uns noch gewundert, warum gerade in der Hauptsaison so wenig Boote nachts vor Anker bleiben. Inzwischen wissen wir warum…
In den kommenden Tagen müssen wir mit Unwettern rechnen. Unseren Windforecast haben wir immer im Blick und auch die lokalen Wetterdienste verbreiten schwere Unwetterwarnungen für Mallorca bzw. die Balearen. Laut der Prognosen wird ein stürmischer Wind aus Nordost erwartet und zudem eine große Gewitterfront die sich von Westen, über das spanische Festland auf die Balearen zubewegt. Wenn diese beiden Fronten aufeinandertreffen, kann es unschön werden. Wir versuchen daher einen sicheren Paltz im Hafen oder eine Boje zu bekommen, was jedoch in der Hauptsaison, ohne wochenlanger Vorreservierung aussichtslos ist. Einige Bojenfelder wurden sogar geschlossen, da diese ab einer gewissen Windstärke die Sicherheit der Boote nicht mehr garantieren können.
Wir steuern daher den großen Naturhafen von Portocolom an, der nahezu 360 geschlossen und somit super vor Seegang geschützt ist. Hier wäre es also egal welche Windrichtung vorherrscht, man liegt immer recht geschützt. Bei unserer Ankunft ist es wie erwartet bereits ziemlich voll. Wir hoffen jedoch, dass der ein oder andere die Bucht noch vor dem Unwetter verlässt, sonst ist es uns zu eng und wir müssen uns einen Plan B überlegenen. Wir haben Glück! Noch am Abend verlassen einige Boot das Ankerfeld und auch am kommenden Tag rückt uns wieder erwarten Niemand auf die Pelle. Somit beschließen wir in Portocolom zu bleiben und noch etwas Kette nachzuwerfen, so dass wir für das angekündigte Unwetter am nächsten Tag gut vorbereitet sind. Einige befreundete Segler sind rund um Mallorca unterwegs und wir sind bereits im Austausch über die Wetterlage, so haben wir quasi einen Livebericht aus allen Himmelsrichtungen. Am nächsten Morgen bereiten wir die SEVEN sturmsicher vor. Das Beiboot wird fest an Deck verzurrt, das Bimini zusammengeklappt und Sonnenschutz entfernt, die Segel sowie sämtliche Leinen gesichert und im Inneren alles Seefest verstaut. Zwischenzeitlich erreichen uns weitere Meldungen unserer Freunde, mit erschreckenden Bildern und Videos aus dem Südwesten Mallorcas. Unter anderem wurde sogar ein kleiner Tornado, bzw. eine Wasserhose, direkt vor der Küste fotografiert! Noch rechnen wir nicht damit, dass wir in unserer gut geschützten Bucht ein Problem bekommen… Der Himmel verdunkelt sich jedoch zunehmend, der starke Nordostwind schläft ein und alles ist auf unheimliche weise ruhig. Zu unserer Verwunderung fahren noch immer kleine Boote aus der Bucht, sogar mit kleinen Kindern an Bord!? Auch der Strand ist belebt, es wird fröhlich geplanscht und mit dem SUB durch die Bucht gepaddelt. Es wird dunkler und dunkler und wir können die heftige Regenfront auf uns zukommen sehen. Es beginnt zu Donnern und erste Blitze zerreißen den Himmel. Nicht nur wir, sondern auch die anderen Langfahrer vor Anker, beobachten gespannt was nun passieren wird.
Vor dem schwarzgrauen Himmel steigt nun eine rot-braune Wolke empor, gepaart mit dem heftigen Pfeifen des Windes, der durch die Straßen der Ortschaft fegt. Wir staunen nicht schlecht, als die Staubwolke plötzlich auf die Wasseroberfläche der Bucht trifft. Jetzt erst realisieren wir, dass es sich um eine Windhose handelt, die Sand und Staub aufwirbelt. Wir können nun deutlich erkennen, wie Wasser aufsteigt und drehend in die Luft gewirbelt wird. Jetzt dreht auch der Wind und wir stehen mit dem Bug zur Windhose. Wir rufen noch geistesgegenwärtig zu unserem Nachbarboot hinüber, um Ihn zu warnen, Janine stürmte unter Deck, um die letzten Fenster zu schließen. Nur Sekunden später erreichte uns eine regelrechte Druckwelle. Micha startete den Motor und sieht zu, wie einige Boote vor uns seitlich aufs Wasser geschleudert wurden, Decksaufbauten werden in die Höhe gerissen, ein kleiner Sportkatamaran hebt ab und landet Kopfüber im Wasser.
Was tun???  Zum Wegfahren blieb keine Zeit, den Anker samt Kette können wieder so schnell weder einholen, noch loswerfen. Es bleibt also nur das Kommando „Festhalten!“, als die Windhose, zum Glück seitlich an uns vorbeizieht. Wir werden mit Schwung zur Seite gerissen, Janine klemmt sich unter Deck fest und Micha verkeilte sich in der Plicht, mit einer Hand am Ruder zwischen Tisch und Backskiste. Die Windgeräusche steigern sich zu einem bedrohlichen Klang, dazu kommt auch noch Platzregen, der Micha ins Gesicht schlägt und die Sichtweite auf ein Minimum reduziert. Unser Anker hält nicht und pflügt parallel zur Uferlinie durch den Meeresboden. Was für ein Moment…


Nach wenigen Sekunden ist die Windhose am anderen Ende der Bucht angekommen, der Wind reduziert sich auf eine beherrschbare Geschwindigkeit und auch unser Anker hält wieder. Es regnet weiterhin in Strömen und auf dem offenen Meer vor unserer Bucht blitzt und donnert es. Bei uns an Bord ist die ganze Elektronik aufgrund des Gewitters abgeschaltet, lediglich der Motor läuft, um manövrierfähig zu bleiben. Nach einer guten halben Stunde ist der Spuk dann vorbei, Regen und Wind lassen nach, wir haben wieder klare Sicht und der Himmel wechselt von schwarz zu grau.
Später erfuhren wir, dass in der Bucht eine Windgeschwindigkeit von ca.  65 Knoten herrschte, was in etwa 120km/h entspricht. Nicht verwunderlich also, dass so gut wie kein Boot mehr an seinem ursprünglichen Ankerplatz lag. Auch unsere SEVEN ist ca. 30 Meter mit dem Anker gerutscht. Der Crew geht’s jedoch gut und auch ein erster Blick in den Mast zeigte, dass noch alles da ist, wo es hingehört.
Um uns herum sieht es jedoch teilweise anders aus, an Land sind Feuerwehrsirenen zu hören, Bäume wurden entwurzelt und Wasserfluten haben in der Ortschaft einiges überspült. Ein Segelboot in der Bucht hat sich losgerissen und wurde kurz vor uns auf die Felsen getrieben. Die Marineros des Stadthafen sind jedoch bereits zur Stelle und das Boot kann nur leicht beschädigt geborgen werden. Einige kleinere Boote, darunter auch der Sportkatamaran, sind gekentert. Später wurde ein Fahrtenkatamaran mit Ruder- und Antriebsschaden sowie zerrissenen Segeln in die Bucht geschleppt. Eine französische Yacht erlitt Mastbruch, konnte den Hafen jedoch aus eigener Kraft erreichen… In Portocolom zu bleiben, war also doch die richtige Entscheidung. Das ausgerechnet hier eine Windhose durchfegt, hat niemand ahnen können und immerhin wissen wir nun, dass unsere SEVEN doch einiges aushält.

 
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