Die Entscheidung ist gefallen, wir starten am 11. Dezember 2024. Dieses Mal haben wir den Wellen und der Dünung noch mehr Aufmerksamkeit gewidmet, denn so einen Ritt wie auf dem Weg zu den Kap Verden möchten wir nicht 17-19 Tage lang haben. Der Check-out ist erledigt, die noch übrigen Escudo Münzen und Scheine wieder in Euro zurückgetauscht, Maschine an und los geht’s. Gemeinsam mit Sailing Pangea und Sailing Cooee starten wir die Reise in die Karibik. Es liegen über 2.100 Seemeilen (3.900 Kilometer) direkter Weg bis nach Barbados vor uns. Nachdem wir uns durch die vor Anker liegenden Frachter geschlängelt haben werden die Segel gesetzt und der Motor ausgeschaltet. Der Kanal zwischen der Insel Sao Vincente und Santo Antao hat es dann schon in sich. Hier wird der Nordost Passat regelrecht durchgepresst, sodass ein ordentlicher Düseneffekt bis weit auf den offenen Ozean noch spürbar ist. Diese Düse bläst uns mit gutem Speed durch die erste Nacht gen Süd-Westen. Zunächst mal segelt die Seven nicht den direkten Kurs Richtung Karibik, sondern vielmehr einen süd-westlichen Kurs. Warum machen wir das ? Das aktuelle Hochdruckgebiet über den Azoren wird durch eine kleines Tiefdruckgebiet auf dem Nordatlantik gestört. Dadurch entsteht eine große Flautenzone zwischen den Druckgebieten und dort wollen wir nicht direkt hinein segeln. Ganz entkommen können wir der Flaute nicht, das haben wir jedoch mit eingeplant. Nach ein paar Tagen Ozeansegeln rechnen wir am Randgebiet mit 1-2 Tagen Flaute oder Leichtwind und nutzen diese Gelegenheit, um Strom mit dem Motor zu produzieren und unseren Wassermacher laufen zu lassen. So haben wir nach ein paar Tagen wieder volle Batterien sowie randvolle Wassertanks. Darüber hinaus beruhigt sich auch der Ozean und es kommt eine deutlich spürbare Ruhe ins Schiff. Dann wäre da noch eine „Once in a Lifetime“ Gelegenheit. Einmal im Leben mitten auf einem Ozean in über 5.000 Meter Wassertiefe eine Runde schwimmen 😉. Und das auch noch bei absolut ruhiger See. Das lassen wir uns nicht entgehen und hüpfen kurzerhand in den tiefblauen und scheinbar endlosen Ozean. Wir sind schon eine Woche lang unterwegs. Es ist ein Alltag im Bordleben eingekehrt. Wind und Welle nehmen wieder zu und wir fahren mit ausgebaumter Schmetterlingsbeseglung nun Richtung Westen. Die Crew ist fit und gut gelaunt, keiner wurde bisher Seekrank.
Inzwischen sind wir weit draußen auf dem Atlantik und noch immer treffen wir auf Vögel, die flach über die Wellen fliegen und Fische jagen. Zwei Arten tauchen immer wieder in unserer Nähe auf und bieten uns eine live Tierdoku. So weit draußen haben wir damit nicht gerechnet.
Ein kleines Highlight für uns ist der tägliche Chat mit den zwei befreundeten Segelbooten, die gleichzeitig mit uns in Mindelo gestartet sind. Wir sind noch immer mehr oder weniger in der Nähe, gleichen zwei mal täglich unsere Positionen ab und tauschen uns aus über unsere Strategie für den Tag, sowie die Höhen und Tiefen des letzten Tages. Zudem ist es einfach schön zu wissen, dass wir nicht allein sind.
Halbzeit! die Hälfte der Strecke ist geschafft. Auch auf dieser Etappe sind wir wieder einen Umweg gefahren, dieses Mal, um schnellstmöglich aus der Flaute herauszukommen. So wurden aus den ursprünglichen 2.100 Seemeilen ca. 2.250 Seemeilen. Wind und Welle haben wieder etwas nachgelassen, so schaukeln wir nun gemütlich weiter Richtung Westen. Bei der Gelegenheit haben wir uns eine traditionelle Eimer- Salzwasser-Dusche gegönnt. Boot und Crew sind also wieder sauber und guter Dinge. Warum Duschen mit einem Eimer und Salzwasser? Unsere Frischwasservorräte sind begrenzt. Wir nutzen das Wasser aus unseren Tanks, als Trinkwasser, zum Kochen, Spülen, zum Waschen und Händewaschen. Zu dritt an Bord reicht die Kapazität also nicht noch für eine tägliche Dusche. Wasser Produzieren können wir während der Fahrt eher nicht. Zum einen ist zu viel Bewegung im Schiff, durch die Wellen kommt Luft in die Ansaugung des Wassermacher und zum anderen Treiben große Flecken von Braunalgen auf der Wasseroberfläche, die den Wassermacher verstopfen würden. Somit ist Wassersparen angesagt. Nach neun Tagen auf See verschwimmen die Tage für uns immer mehr. Ausblick sowie Tagesablauf sind mehr oder weniger immer gleich. Wir schlafen oder besser gesagt ruhen viel, um die fehlenden Stunden der Nachtwachen auszugleichen. Zweimal am Tag Wetter checken und Internetnutzung, einige Stunden am Steuer, um dem Autopilot eine Pause zu gönnen und Strom zu sparen, Musik und Hörbücher hören, lesen, kochen und essen. Und dann wieder von vorne... irgendwie entspannt und entschleunigend, auf Dauer jedoch auch wieder anstrengend. Macht das Sinn?
Zwei Drittel der Strecke haben wir inzwischen geschafft. Seit heute begegnen uns immer wieder die schönen, aber auch giftigen Portugiesischen Galeeren. Dabei handelt es sich um eine Art Qualle, mit einer in unserem Fall pink- bis lilafarbenen ca. 20-30 cm großen Schwimmblase, die an der Wasseroberfläche treibt. Auch eine große Lederschildkröte ist uns begegnet, leider jedoch bisher keine Delfine oder Wale.
Inzwischen ist der Ozean wieder ziemlich rau, unser Boot rollt stark von links nach rechts und einige Wellen schlagen mal wieder seitlich in der Bordwand ein. Zu den Wellen, die mit dem Wind aus östlicher Richtung kommen, gibt es eine Dünung aus dem Norden, daraus ergibt sich eine unschöne Kombination für unsere Nussschale und die Nächte sind wieder entsprechend kurz. Unser Autopilot fängt das nur schwer ab, weshalb wir wieder viel per Hand steuern. Wir machen jedoch das Beste daraus und haben die JBL Box herausgeholt, unsere Playlist auf voller Lautstärke angespielt und mitgesungen. Glücklicherweise gibt es hier keine Nachbarn, die sich über den Lärm beschweren können 😊
Einige unruhige Tage und Nächte liegen hinter uns. Für die kommenden Tage ist jedoch mäßiger Wind und weniger Seegang gemeldet. Das fühlt sich für mich (Janine) an, wie die Aussicht auf weiße Weihnachten in Deutschland. Und es ist Weihnachten! Mitten auf dem Atlantik, ca. 28° Grad und strahlendem Sonnenschein. Irgendwie schräg... Ein bisschen Weihnachtsstimmung lässt sich jedoch auch hier verspüren. Wir schreiben oder telefonieren kurz mit unseren Familien zuhause und gönnen uns ein Festtagsmenü. Von Pfannkuchen zum Frühstück über Lebkuchen bis hin zur Entenkeule mit einem kleinen Schluck Rotwein am Abend.
Inzwischen haben wir 3/4 des Weges geschafft, ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum Ziel. Wir befinden uns nun in der innertropischen Konvergenzzone. Das heißt für uns, dass vermehrt mit Squalls zu rechnen ist. Squalls sind kleine, lokale Starkwind- und Regen Zellen, die vereinzelt auch Blitz und Donner oder Hagel mit sich bringen können. Erkennen wir einen potenziellen Squall am Himmel oder auf dem Radar bereiten wir unser Boot entsprechend vor, nichts liegt mehr im Cockpit herum, der Sonnenschutz wird weggeklappt und die Segelfläche verkleinert. Glücklicherweise ziehen die Zellen bisher seitlich an uns vorbei und bis auf leichten Regen sowie leichte Veränderungen von Windstärke und Windrichtung bekommen wir nicht viel ab.
Nun sind wir schon zwei Wochen unterwegs. Die Temperaturen steigen nun merklich an, wir nähern uns dem Ziel Karibik! Während der Nacht landen immer wieder fliegende Fische bei uns an Deck, wenn wir es mitbekommen, werfen wir die Fische sofort wieder ins Wasser, einige finden wir jedoch leider erst am nächsten Morgen. Während der Nachtwache hat mich doch auch tatsächlich einer der fehlgeleitenten Fische am Kopf getroffen!
An Tag 15 der Überquerung wurden wir zum ersten Mal direkt von einem Squall erwischt. Von jetzt auf gleich nimmt der Wind zu und dreht um 30° Grad, es regnet heftig und einige Böen sorgen dafür das wir kurzfristig schnell vorankommen. Nach einigen Minuten ist der Spaß auch schon vorbei. Der Squall zieht weiter und lässt uns in einer Flaute zurück... Nach jedem Regen folgt jedoch auch wieder Sonnenschein und beschert einen schönen Regenbogen. An Tagen mit mäßigem Wind macht ein Squall richtig Spaß, in der Nacht und bei ohnehin rauen Bedingungen, ist das jedoch eine ganz andere Nummer.
Endspurt! Unter (für uns nach 16 Tagen auf See…) perfekten Segelbedingungen mit gerade genug Wind für unser Leichtwindsegel, ruhiger See und keine Squalls, fahren wir langsam und gemütlich die letzte Etappe. Naja, vielleicht doch etwas zu langsam für unseren Geschmack. Über 2.000 Seemeilen sind wir nun schon über den Atlantik gesegelt und kurz vor dem Ziel geht uns der Wind aus… Natürlich sind wir ungeduldig und sehnen das Ziel herbei. Ankerbier, schwimmen, schnorcheln, Strand, Palmen, Strandbar, Rumpunsch, Land, laufen! Um nur einige Dinge zu nennen, auf die wir uns freuen.
Dann ist es soweit. Landende und startende Flugzeuge sind zu erkennen. Weit erkennbar ist der Lichtkegel des Flughafens von Barbados. Land in Sicht! Wir haben es geschafft, wir haben mit dem eigenen Segelboot den Atlantik überquert!
Der Dezember 2024 war für uns voller neuer, unglaublicher Eindrücke und Gefühle. Vorfreude, Respekt, Unglaube, Aufregung… Als wir am 30.11.2024 von Teneriffa aus gestartet sind.
Die erste Etappe war sportlich, viel Wind, hohe Wellen, Kreuzsee, Gewitterfronten und ein konstant flaues Gefühl im Magen… dennoch haben wir die Etappe gut überstanden, das Bett wurde ins Cockpit verlegt, das flaue Gefühl im Magen beim nächtlichen Handsteuern vergessen und Befürchtungen einfach ausgeblendet. Auf diesem Teil der Reise sind wir ein großes Stück gewachsen.
Für die zweite Etappe haben wir ein etwas ruhigeres Wetterfenster gewählt und die Überfahrt war super! 16 Tage und 21 Stunden - ca. 2.270 Seemeilen.
Was haben wir erlebt und gesehen: unfassbar schöne Sternenhimmel, Sternschnuppen und Satelliten, farbenfrohe Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge, Regenbögen, unzählige fliegende Fische - einige haben sich bei uns aufs Boot verirrt, einer hat mich sogar am Kopf getroffen! Ein Tintenfisch- ebenfalls bei uns an Deck, zu guter Letzt doch noch Delfine, springende Tunfische, Portugiesische Galeeren, tropische Vögel, eine Lederschildkröte und völlige Abgeschiedenheit und endlose Weite. Wir waren mitten im Atlantik schwimmen! Auf dem Weg haben wir nur zwei weitere Segelboote und 4 Frachtschiffe gesehen. Dennoch waren wir nicht allein, unsere Freunde von Sailing.Pangea und Sailing.Cooee waren zwar etliche Seemeilen entfernt, aber dennoch waren wir täglich in Kontakt. Was für ein unglaubliches Erlebnis!